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3 3 Abhandlungen und Bestandskataloge Rupert Gebhard und Rüdiger Krause Bernstorf Archäologisch-naturwissenschaftliche Analysen der Gold- und Bernsteinfunde vom Bernstorfer Berg bei Kranzberg, Oberbayern archäologische staatssammlung münchen Abhandlungen und Bestandskataloge der Archäologischen Staatssammlung, Band 3 herausgegeben von Rupert Gebhard zugleich: Frankfurter Archäologische Schriften, Band 31 herausgegeben von Hans-Markus von Kaenel, Rüdiger Krause, Jan-Waalke Meyer und Wulf Raeck Bernstorf Archäologisch-naturwissenschaftliche Analysen der Gold- und Bernsteinfunde vom Bernstorfer Berg bei Kranzberg, Oberbayern Rupert Gebhard und Rüdiger Krause Mit Beiträgen von Barbara Armbruster, Vanessa Bähr, Ursula Baumer, Patrick Dietemann, Karl Thomas Fehr (†), Peter Freiberger, Jochen Haberstroh, Werner Häusler, Rupert Hochleitner, Helene Hoffmann, Bernd Kromer, Andrea Lazzaro, Paola Paoletti, Martin Pietsch, Martin Radtke, Christian Rewitzer, Astrid Röpke, Claudia Rohde, C. Sebastian Sommer, Friedrich E. Wagner, Ursel Wagner, Stefan Winghart Archäologische Staatssammlung München Lerchenfeldstraße 2, D-80538 München Umschlagbild: Punzverziertes Goldblech mit angeschmolzenem Blechrest (ASM Inv. 2009,9a) aus Bernstorf (Foto: Stefanie Friedrich, Archäologische Staatssammlung München). Makroaufnahme eines Goldblechanhängers (ASM Inv. 2002,6d) aus Bernstorf (Foto: A. v. Bohlen, ISAS Dortmund) Vorsatz (Teil A): Experiment zum Abbrand der Befestigungsmauer von Bernstorf an einer sechs Meter langen Rekonstruktion im September 2011 (Foto: Rüdiger Krause, Frankfurt a.M.) Vorsatz (Teil B): Makroaufnahme eines Goldblechanhängers (ASM Inv. 2002,6d) aus Bernstorf (Foto: A. v. Bohlen, ISAS Dortmund) Redaktion: Kirsten Thiel (Aichwald) Druckbegleitung: Dr. Bernward Ziegaus (München) Satz und Layout: Dr. Hertha Schwarz (München) Gesamtherstellung: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (München) 1. Auflage 2016 ISBN 978-3-927806-43-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung der Herausgeber und Autoren ist unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2016 by Archäologische Staatssammlung München – Museum für Vor- und Frühgeschichte Inhalt Vorwort und Danksagung Rupert Gebhard und Rüdiger Krause 11 Teil A Archäologisch-naturwissenschaftliche Analysen der Gold- und Bernsteinfunde 13 1 Einleitung (Introduction) 15 1.1 Fragestellung 15 1.2 Die aktuellen Thesen zur Fälschung des Goldes von Bernstorf 18 1.3 Archäologie als Naturwissenschaft? 23 Authentizitätsprüfungen: Methoden, Möglichkeiten, Grenzen 25 2 2.1 Rekonstruktion eines Fundzusammenhangs durch Materialanalysen. Fallbeispiel Bronzescheibe mit kosmischen Darstellungen „Himmelsscheibe von Nebra“ 25 2.1.1 Berichte und Aussagen zur Aufindung der Scheibe 26 2.1.2 Rekonstruktion der Fundlage und Nachgrabung 29 2.1.3 Analyse der an den Funden anhaftenden Erdreste 32 2.1.4 Bronze- und Goldanalysen 37 2.1.5 Bearbeitungstechniken 39 2.1.6 Patina 39 2.1.7 Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen zur „Himmelsscheibe“ 40 2.2 Vergleich der Fundumstände der „Himmelsscheibe von Nebra“ und der Goldbleche von Bernstorf 3 4 Einführung zur Geschichte und Archäologie des Bernstorfer Berges 45 3.2 Die bronzezeitliche Besiedlung und Befestigung 46 3.3 Zur Fundsituation der Goldbleche und der verzierten Bernsteine 50 Die Auffindungsgeschichte der Gold- und Bernsteinfunde vom Bernstorfer Berg 53 4.1 Vorbemerkungen zur Aufindungsgeschichte 53 4.2 Der Beginn der Erforschung des Bernstorfer Berges in den Jahren 1994–1997 54 4.3 Die Aufindung der Goldbleche im Jahr 1998 57 4.4 Die Aufindung der verzierten und unverzierten Bernsteine 1997–2003 62 Die beiden verzierten Bernsteine aus dem Jahr 2000 4.4.2 Die Aufindung der Bernsteine und Bernsteinsplitter zwischen 1997 und 2005 6 45 3.1 Zur Topographie und Archäologie des Bernstorfer Berges 4.4.1 5 42 62 64 Objektkatalog der Sammelfunde aus Gold und Bernstein 1998–2000 65 5.1 Sammelfund mit Goldblechen 65 5.2 Sammelfund mit durchbohrten Bernsteinstücken 70 5.3 Dreieckiges Bernsteinplättchen mit Gravuren an der Vorder- und Rückseite 71 5.4 Bernsteinsiegel mit Gravuren von vier Zeichen an der ovalen Schauseite 72 Untersuchungen an den Goldfunden 73 6.1 Zu den interdisziplinären Untersuchungen der Goldfunde und Sedimentreste 73 6.2 Metallzusammensetzung 73 6.3 Die Verwendung von Feingold im 2. Jahrtausend v. Chr. 80 6.3.1 Rafiationsverfahren im Alten Orient 6.3.2 Der Nachweis von Feingold 81 83 6.4 Untersuchungen der Goldbleche 6.4.1 Schneidespuren an den Goldblechen 6.4.2 Die beiden Goldlahnstreifen aus dem Bernsteinsiegel 6.4.3 Herstellung der Bleche nach den Ergebnissen der Rasterelektronenmikroskopie 8 9 98 100 6.4.4 Goldbleche im 2. Jahrtausend v. Chr. 102 6.4.5 Blattgold in Mitteleuropa im 2. Jahrtausend v. Chr. 105 6.4.6 Verzierung der Bleche 110 6.4.7 Gebrauchsspuren, Anomalien und Alterung der Bleche 112 6.4.8 Zusammenfassung der mikroskopischen Oberlächenuntersuchungen 6.5 Radiokarbondatierung eines Eichenholzstabes aus dem Goldfund 7 85 94 112 112 6.6 Organische Reste auf den Goldblechen 116 6.7 Untersuchungen der an den Goldblechen und dem Bernsteinsiegel anhaftenden Bodenreste 118 Die gravierten Bernsteinobjekte von Bernstorf 123 7.1 Die Verwitterung der Oberläche von Bernsteinen 123 7.2 Zu den Gravuren des Bernsteinsiegels 128 7.3 Zur Ikonographie der Gesichtsdarstellung 129 7.4 Bearbeitungsspuren an den durchlochten Bernsteinstücken 130 Eine kulturgeschichtliche Einordnung der Gold- und Bernsteinfunde vom Bernstorfer Berg 131 8.1 Die Bronzezeit Europas und kulturgeschichtliche Beziehungen im 2. Jahrtausend v. Chr. 131 8.2 Bernstein aus dem Norden für den Süden 133 8.3 Die süddeutschen Hügelgräbergruppen 135 8.4 Zu den Gold- und Bernsteinfunden auf dem Bernstorfer Berg 137 8.5 Deponierungen auf dem Bernstorfer Berg? 142 8.6 Austausch oder Etappenhandel – wer gelangte bis zum Bernstorfer Berg? 143 Synthese (Synthesis) 145 10 Anhang 153 Literaturabkürzungen 153 Bildnachweis 161 Teil B Fachbeiträge zu den Funden von Bernstorf mit einem Anhang 163 1 Beiträge zur Archäologie und Technikgeschichte 165 Barbara Armbruster Untersuchungen zu den technologischen Aspekten der Goldfunde von Bernstorf 165 Paola Paoletti „Rafiniertes“ Gold? Gold und seine Qualität(sbezeichnung)en in den altbabylonischen Quellen aus Mesopotamien im 20.–18. Jahrhundert v. Chr. 177 Rupert Gebhard Ergebnisse eines Rafinationsversuches von Gold durch Temperung 186 Harald Schulze Zur Frage der Echtheit eines Goldbleches mit Eberjagdszene 190 2 Beiträge zur chemischen Zusammensetzung des Goldes 195 Laborbericht des Instituts für Geowissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt Analysen an den Goldproben aus Bernstorf und an Temperversuchen 195 Karl Thomas Fehr (†) und Rupert Hochleitner EPMA (Electron Probe Microanalyser)-Untersuchungen am Bernstorf-Gold 203 Martin Radtke 3 Bericht der BAM Berlin zur Analyse des Goldes von Bernstorf 206 Beiträge zu organischen Materialien 213 Bernd Kromer und Helene Hoffmann Zur 14C-Datierung eines verkohlten Eichenstabs und anderen organischen Materialien aus dem Kontext der Goldbleche von Bernstorf 213 Ursula Baumer und Patrick Dietemann Untersuchungen an dunklen Anhaftungen an den Goldblechen von Bernstorf mit Hilfe 4 von GC/MS- und Py-GC/MS-Analysen 215 Beiträge zu bodenkundlichen Untersuchungen 217 Astrid Röpke Anthropogene Signaturen in den Böden des Bernstorfer Berges 217 Werner Häusler, Rupert Gebhard und Friedrich E. Wagner Untersuchungen an Bodenproben aus Bernstorf 236 Friedrich E. Wagner, Rupert Gebhard, Andrea Lazzaro und Werner Häusler Messungen der 137Cs-Aktivität an Bodenproben aus Bernstorf 245 Friedrich E. Wagner, Ursel Wagner, Rupert Gebhard und Werner Häusler Mößbauerspektroskopische Untersuchungen an Bodenproben aus Bernstorf 250 Rupert Gebhard, Ursel Wagner und Friedrich E. Wagner 5 6 Goldgehalte in Bodenproben aus der Umgebung von archäologischen Goldfunden 257 Beiträge zu den Bernsteinfunden und deren Fundgeschichte 265 Rupert Hochleitner und Christian Rewitzer Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen an den Bernsteinobjekten 265 Vanessa Bähr Die Bernsteinfunde aus der bronzezeitlichen Befestigung von Bernstorf. Beschreibung der Fundumstände 267 Claudia Rohde unter Mitarbeit von C. Sebastian Sommer, Jochen Haberstroh, Martin Pietsch, Stefan Winghart und Peter Freiberger Funde und Finder. Zur Aufindungsgeschichte der Gold- und Bernsteinartefakte im Bereich der bronzezeitlichen Befestigung von Bernstorf, Gemeinde Kranzberg 275 Anhang 307 Josef Riederer Stellungnahme vom Februar 2005 zur Scheibe aus der Bronzezeit 307 Vorwort und Danksagung Als Traudl Bachmaier und Dr. Manfred Moosauer im Sommer 1998 auf dem Bergsporn von Bernstorf mehrere Goldbleche aulasen, war bei den Findern die Freude groß, da sie davon ausgingen, etwas ganz Besonderes entdeckt zu haben. Die Archäologen mussten sich jedoch dem Problem stellen, dass die Objekte nicht aus einer qualiizierten Ausgrabung stammten. Dadurch ergab sich sofort die Frage nach der Authentizität der Funde. Im Einzelnen: Stammen die Objekte vom Fundort? Waren sie dort vergraben? Handelt es sich um Originale? Allgemeingültige Lösungen zur Beantwortung dieser Fragen gibt es nicht. Bei Behörden und Museen haben sich zumeist individuelle Verfahren herausgebildet, in denen die verschiedensten Methoden kombiniert werden, um zur Klärung des Sachverhaltes zu gelangen. Die Methoden sind von höchst unterschiedlicher Qualität. Sie reichen von subjektiven Bewertungen wie der Glaubwürdigkeit der Beteiligten über archäologisch-stilistische Beurteilungen bis hin zu komplizierten naturwissenschaftlichen Verfahren. Bernstorf entwickelte sich über viele Jahre hinweg zu einer umfangreichen Detailstudie, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es inzwischen Untersuchungsmethoden gibt, die zum Zeitpunkt der Aufindung nicht zur Verfügung standen. Der gesamte Untersuchungszeitraum lässt sich in drei Abschnitte gliedern: 1. Die erste Prüfung und Publikation eines Vorberichts als Anstoß für die wissenschaftliche Diskussion; 2. Die Wiederaufnahme der Untersuchungen im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Fundstelle; 3. Ergänzende Untersuchungen im Anschluss an ein Fachkolloquium im Jahr 2014, das der Diskussion der Ergebnisse des zweiten Abschnitts diente. Die vorliegende Publikation versucht nun, möglichst alle Informationen und Daten zugänglich zu machen. Dies ist aus unserer Sicht schon deshalb erforderlich, da es im Verlauf der zweiten Untersuchungsphase zahlreiche Pressemeldungen gab, die den Eindruck vermittelten, die Funde seien eindeutig Fälschungen. Infolgedessen wurden auch Zweifel an der Seriosität der Herausgeber und ihrer wissenschaftlichen Reputation gestreut. Solche Bemerkungen sind der wissenschaftlichen Diskussion aber grundsätzlich nicht dienlich. Es gab in der Archäologie zu allen Zeiten Funde, die als „schwierig“ zu bezeichnen sind. Die Liste wäre sehr lang. Stellvertretend seien hier nur die Funde von Glozel (Auvergne), der „Berliner Goldhut“, die weltberühmte Büste der Nofretete in Berlin oder der „Getty Kouros“ genannt, um die Bandbreite aufzuzeigen. Gerade aufgrund des öffentlichen Interesses, das in der Archäologie stark durch Laien geprägt wird, ist es nicht sinnvoll, dass die Forschung Objekte einzig wegen außergewöhnlicher Fundumstände oder mangelnder Informationen zur Fundsituation ignoriert. Wir sind, im Gegenteil, davon überzeugt, dass sogar eine Verplichtung zu einer intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit derlei Stücken besteht. Selbst wenn dann nicht alle Details geklärt werden können, bringt die Durchführung eines solchen Projekts mit allen seinen spannenden Facetten selbst schon einen Gewinn für die Forschung. Die Untersuchungen der Gold- und Bernsteinfunde wurden federführend von der Archäologischen Staatssammlung München durchgeführt, die sich hierbei auf die vielfach unentgeltlichen Forschungen von engagierten Kolleginnen und Kollegen stützen konnte. Ihnen sei ein besonders herzlicher Dank ausgesprochen, da ohne sie das vorliegende Ergebnis nicht in absehbarer Zeit hätte erzielt werden können. Die Erforschung der Archäologie des Bernstorfer Berges durch die Goethe-Universität Frankfurt a. M. wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ebenso gefördert wie die Vorbereitung dieses Bandes. Nachhaltige Unterstützung der Forschungsarbeiten gewährten ferner die Gemeinde Kranzberg, der Landkreis Freising und die Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte. Allen Beteiligten danken wir sehr herzlich dafür. Das Lektorat führte Kirsten Thiel M.A. durch, Dr. Hertha Schwarz die Satzarbeiten. Endredaktion und Drucklegung begleitete Dr. Bernward Ziegaus. Ihnen schulden wir für ihre sorgfältige und engagierte Arbeit einen besonderen Dank. München und Frankfurt im September 2016 Prof. Dr. Rupert Gebhard und Prof. Dr. Rüdiger Krause TEIL A 13 Archäologisch-naturwissenschaftliche Analysen der Gold- und Bernsteinfunde 1 Einleitung 1 Introduction 1.1 Fragestellung 1.1 Line of Inquiry Die Entdeckung der ungewöhnlichen Goldund Bernsteinfunde von Bernstorf in den Jahren 1998 und 2000 führte zu langjährigen Diskussionen, die sich heute auf drei gegensätzliche und polarisierende Positionen eingrenzen lassen: The discovery of the extraordinary gold and amber inds of Bernstorf in 1998 and 2000 sparked years-long discussions among colleagues, which today can be delimited within three opposing and polarised positions: 1) Die Goldfunde wurden als Streufunde durch zwei ehrenamtliche Archäologen am Fundort geborgen. Sie lassen keine Merkmale einer Fälschung erkennen und fügen sich archäologisch in die kulturelle Entwicklung der jüngeren Mittelbronzezeit ein. 2) Die Goldfunde sind Fälschungen. Als Begründung wird auf die Metallanalysen verwiesen und analog werden auch weitere Funde, wie z. B. zwei gravierte Bernsteine, als Fälschungen bezeichnet. 3) Die beiden verzierten und mit Linear-BSchrift versehenen Bernsteine sind Fälschungen, weil entsprechende Darstellungen und Schriftzeichen bisher unbekannt sind und damit in ihrer Authentizität als unwahrscheinlich gelten. Insbesondere die zweite Position belastet unmittelbar die Finder mit dem Verdacht der Manipulation, da eine weitere Variante, die Finder hätten zufällig Fälschungen bronzezeitlicher Objekte gefunden, außerordentlich unwahrscheinlich wäre. Bei den Findern handelt es sich um langjährige ehrenamtliche Mitarbeiter des Archäologischen Vereins Freising, den Internisten Dr. Manfred Moosauer und die Hausfrau Traudl Bachmaier. Die Fälschungsthese wird im Fach vor allem von Prof. Dr. Ernst Pernicka (Mannheim) und Prof. Dr. Harald Meller (Halle a. d. Saale) vertreten. Die mediale Darstellung fokussierte sich ab 2014 überwiegend auf die Fälschungsthese. Dabei wurden die komplexe Gesamtsituation und die Entstehung der beiden sich gegenüberstehenden Positionen kaum berücksichtigt, sondern es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass die Objekte von sog. Amateuren gefunden wurden. Im vorliegenden Fall entwickelte sich bereits vor der Entdeckung der Goldfunde ein heftiger Disput zwischen Archäologen und den genannten ehrenamtlichen Mitarbeitern, die mit Bernstorf Mitte der 1990er Jahre einen prähistorischen Fundplatz aufgespürt hatten. Dessen mittelbronzezeitliche Befestigung und deren nahezu vollständige Verbrennung werden als zeitgleich mit den Goldfunden angesehen. 1) The gold inds were recovered as stray/ scattered inds at the site of Bernstorf by two volunteer archaeologists. The objects do not display any features that would indicate that they are forgeries; further, they it well archaeologically within the cultural development of the later Middle Bronze Age. 2) The gold inds are forgeries. This is substantiated by the metal analyses of the objects and in analogy with other inds, such as two engraved pieces of amber that are also designated as forgeries. 3) The two decorated amber pieces displaying Linear-B script are forgeries, in view of the fact that corresponding designs and script signs are hitherto unknown and thus render the authenticity of the pieces as improbable. The second position (2.) in particular raises the suspicion of manipulation on the part of the inders, especially since another possible version of the story, according to which the inders found forgeries of Bronze Age objects by chance, would be extremely unlikely. The discoverers are long-standing members of the Archäologischer Verein (Archaeological Society) in Freising (Bavaria): the internist Dr. med. Manfred Moosauer and Ms. Traudl Bachmaier, who is a housewife. The thesis that the objects are forgeries is propounded in archaeology foremost by Ernst Pernicka and Harald Meller. The inds’ representation in the media since 2014 has focused mainly on the thesis that they are forgeries. Thereby the complex overall situation and the emergence of the two opposing positions have received little consideration. Instead, reference has only been made that the discoverers of the inds were socalled amateurs. In the present case, even prior to the discovery of the gold ind a heated debate had already arisen between archaeologists and the afore-named society members, who had discovered a prehistoric site in Bernstorf in the mid-1990s. This Middle Bronze Age fortiication and its almost complete destruction in lames are viewed as coeval with the gold inds. As explained in detail in chapter 4 on the history of the inds, the debate about the 15 Wie in Kapitel 4 über die Fundgeschichte detailliert ausgeführt wird, hatte bereits der Streit über die Interpretation der Fundstelle selbst die Bildung zweier Lager zur Folge: Auf der einen Seite die Entdecker der Fundstelle, auf der anderen Seite der damalige Vorsitzende des Archäologischen Vereins Freising, Erwin Neumaier, und Vertreter der staatlichen Bodendenkmalplege. Dass schon hier nicht mehr mit Sachargumenten diskutiert werden konnte, zeigt sich daran, dass selbst nach dem eindeutigen Nachweis einer bronzezeitlichen „Wall“Graben-Anlage die Befunde der verbrannten Befestigung weiterhin von Neumaier als „Kohlenmeiler“ bezeichnet und diese damit abgewertet wurden. Die bereits bei der Diskussion über die Fundstelle festgelegten Fronten verhärteten sich nach der Entdeckung der Goldobjekte. Die Skepsis an ihrer Echtheit ging zunächst von Neumaier aus, dessen erste These, die Finder hätten die Funde in Griechenland erworben und dem Fundort Bernstorf untergeschoben, auch noch vier Jahre nach der Entdeckung (2002/2003) von der Bayerischen Bodendenkmalplege durch entsprechende Aktennotizen gestützt wurde. Da ein Erwerb eines solchen Fundensembles jedoch ausgeschlossen werden kann, veränderten die Kritiker ihre These dahingehend, dass die Goldfunde, und damit auch die beiden gravierten Bernsteinfunde, eine groß angelegte Gesamtfälschung seien. Diese Auffassung erhielt 2014 durch die Interpretation der Metallanalysen eine erste wissenschaftliche Diskussionsgrundlage. Pernicka und Meller stehen damit in der Tradition die Finder zu verdächtigen. Der öffentlichen Bekanntmachung dieses Standpunkts schenkten die Medien große Aufmerksamkeit. Zumindest die Berichte des Journalisten Günther Knoll in der „Süddeutschen Zeitung“1 lassen dabei eine aktive Beeinlussung durch die Vertreter der Fälschungsthese erkennen. Die kurze Zusammenfassung der Ausgangslage zeigt, dass in die Diskussion um die Goldfunde von Bernstorf neben wissenschaftlich ermittelbaren Daten auch eine Vielzahl vorgefasster Meinungen einließt. Ein sachlicher Austausch der Argumente wird zunehmend schwierig, da die Trennung in zwei sich diametral gegenüberstehende Positionen inzwischen fast 20 Jahre andauert. Die Autoren haben sich daher entschlossen, über den Goldfund hinaus die Gesamtsituation aus beiden Perspektiven darzustellen bzw. darstellen zu lassen. Die Erörterung ist zunächst ergebnisoffen gewählt, erst im abschließenden Kapitel wird eine Gesamtbewertung vorgenommen, die sich auf belegbare Fakten konzentriert. Diese kann der Leser durch die Veranschaulichung der unter- 16 interpretation of this site alone had led to the formation of two conlicting parties: on the one side the discoverers of the site, and on the other side the chairman of the society at that time, E. Neumaier, and representatives of the “Bayerische Bodendenkmalplege” (Bavarian State Ofice of Conservation). Even then matterof-fact discussions were no longer possible, which is illustrated by the fact that even after clear evidence of a Bronze Age ”wall”-and-ditch complex was revealed, E. Neumaier still called the ind complex of the burnt fortiication a “charcoal pile” (Kohlenmeiler), thus reducing the evidence in importance. The fronts that already emerged in the debate about the site hardened after the discovery of the gold objects. Scepticism as to the inds’ authenticity came from Neumaier, whose initial thesis was that the inders had acquired the objects in Greece and then falsely claimed to have found them in Bernstorf. This thesis was still supported in memoranda of the Bavarian ofice of conservation four years after the discovery (2002/2003). Yet, since the acquisition of such a valuable assemblage of objects can be excluded, critics changed their thesis. They now claimed that the gold inds, and with them the two engraved pieces of amber, were part of large-scale planned forgery. This view gained its irst scientiic basis for discussion in 2014 through the interpretation of metal analyses on the objects. With that E. Pernicka and H. Meller follow in the line of suspecting the discoverers. The oficial announcement of this standpoint received much attention in the media, and at least the reports of journalist Günther Knoll in the “Süddeutsche Zeitung”1 reveal active inluence by supporters of the forgery thesis. The brief summary of the starting-point shows that the discussion about the gold inds was not only based on scientiic data but also on a host of preconceived opinions. An objective exchange of arguments became increasingly dificult, as the division between the diametrically opposing positions remained irm for almost twenty years. Therefore, the editors of this volume have decided to present both perspectives on the situation as a whole, which is not limited to the gold inds. The initial discussion will be unbiased as to the results; an evaluation of the overall situation is made only in the concluding chapter, which focuses on conirmed facts. They enable the reader to grasp and understand the different points of view, as well as the history of the emergence of the respective scientiic and emotional discussions. The Bernstorf case offers detailed insight in the classic theme of veriication of inds (“Fundkritik”) and also has proven to be a model example of the limits to possibilities as schiedlichen Betrachtungsstandpunkte auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der jeweiligen wissenschaftlichen und emotionalen Diskussion nachvollziehen. Der Fall Bernstorf bietet einen detaillierten Einblick in das klassische Thema der Fundkritik, erweist sich aber in Hinblick auf Rekonstruktionsmöglichkeiten mit Hilfe naturwissenschaftlicher Verfahren zudem als Musterbeispiel für Grenzbereiche des derzeit Möglichen2. Die Finder, die ihre Geschichte bereits früh populär schilderten, wurden nicht um einen Beitrag gebeten. Vielmehr wurde versucht, die inzwischen doch länger zurückliegenden Ereignisse anhand von gleichzeitigen Dokumenten und Quellen darzustellen, um Fehler aus einer wandelbaren Erinnerung zu vermeiden3. Die hier vorgelegte Publikation geht bewusst den traditionellen Weg einer Erstvorlage in gedruckter Form, die eine wissenschaftliche Diskussion aufgrund aller ermittelbaren Fakten ermöglicht. Mit der zügigen Vorlage des Goldfundes und auch der späteren Bernsteinfunde in den Jahren 1999 und 2002 wollte R. Gebhard eine breite wissenschaftliche Diskussion anstoßen. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen entwickelte sich aber eine Meinungsbildung „hinter vorgehaltener Hand“, die letztlich nicht half, seit den Vorberichten Fortschritte zu erzielen. Sie führte im Gegenteil dazu, dass den Funden eine wissenschaftliche Relevanz abgesprochen wurde. Aus diesem Grund wurde ein eigenes Forschungsprojekt initiiert, das sich – gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – auf die Archäologie und die Geschichte des Fundortes konzentrierte. Zweifelsfrei ist Bernstorf demnach die größte mittelbronzezeitliche Befestigung nördlich der Alpen. Außerdem ging die Anlage durch einen Brand zugrunde. Die Ergebnisse dieser Forschungen werden in Form von Magisterarbeiten und einer Dissertation in der Monographienreihe des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt, den „Frankfurter Archäologischen Schriften“, vorgestellt. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurde auch eine erneute und intensive Erforschung der Goldfunde vorgenommen, die parallel zu dem DFG-Projekt überwiegend durch die Archäologische Staatssammlung München inanziert wurde. Vor dem Erwerb der Goldfunde 1999 wurde gemäß den Erwerbsbedingungen des Freistaates Bayern eine Prüfung des Fundes durchgeführt, deren Ergebnis zum Teil auch im Vorbericht Aufnahme fand. Neben Exper- far as reconstructions with the aid of scientiic methods are concerned2. The discoverers of the Bernstorf inds, who early on popularized their story, were not asked to contribute to this volume. Far greater effort was made to present the events of many years ago by means of contemporary documents and sources, so as to avoid mistakes arising from changing memory3. The publication presented here consciously follows in the tradition of an initial presentation in printed form, which should enable an academic discussion basing on all accessible facts. With the rapid irst publication of the gold inds and later the amber inds in 1999 and 2002, R. Gebhard intended to spark a broad scholarly discussion. However, for reasons that are no longer comprehensible today, a process of opinion-making emerged “off the record” that was ultimately not conducive to making any progress ever since the preliminary reports were published. On the contrary: due to that opinion-making the inds were dismissed in scientiic relevance. For this reason, an individual research project was initiated, which – funded by the DFG (German Research Society) – concentrated on the archaeology and history of the site. Without doubt Bernstorf is the largest Middle Bronze Age fortiication north of the Alps. Furthermore, this complex was destroyed in a conlagration. The results of this research were presented in the form of masters’ theses and a dissertation in the series of monographs issued by the “Instituts für Archäologische Wissenschaften” (Institute of Archaeological Science) of the GoetheUniversity in Frankfurt/Main: “Frankfurter Archäologische Schriften”. Within the context of this research, renewed and thorough studies on the gold inds have been undertaken, which parallel to the DFG project are inanced mainly by the “Archäologische Staatssammlung München” (State Archaeological Collection in Munich). Prior to the acquisition of the gold inds in 1999 an investigation of the ind was conducted according to the acquisition policy of the 1 2 3 Vgl. hierzu die beiden Berichte von G. Knoll in der Süddeutschen Zeitung vom 24.10.2014 und 30.10.2014: <http://www.sueddeutsche.de/muenchen/bronzezeit-schatz-von-bernstorf-zu-sehrgold-um-wahr-zu-sein-1.2188153> (abgerufen am 14.08.2016). <http://www.sueddeutsche.de/muenchen/bernstorfer-goldschatz-aerger-unter-archaeologen-1.2196817> (abgerufen am 14.08.2016). Der Journalist stand zur Zeit des Berichts in privater Beziehung zu H. Meller. – At the time of the reports the journalist stood in close contact with H. Meller. Samida/Eggert 2013. Vgl. Fried 2004a; Fried 2004b. 17 tisen auf vorwiegend archäologischer Basis4 erfolgten technische und naturwissenschaftliche Prüfungen, z. B. eine erste direkte 14CDatierung, eine mineralogische Begutachtung der mitgeborgenen Sedimente im Vergleich zu lokalen Materialien sowie der nicht zu den Objekten gehörigen Ablagerungen auf den Oberlächen, eine Beurteilung der bei der Herstellung verwendeten Werkzeuge etc. Die Nachuntersuchungen an den Goldfunden folgen diesem Schema: 1) 2) 3) 4) 5) Archäologische und stilistische Beurteilung, einschließlich Beurteilung der Niederlegung; Untersuchung der Handwerkstechnik, des Rohmaterials und der Verarbeitung; Untersuchung von organischen Materialien; Untersuchung zu Gebrauchsspuren; Untersuchung zur Niederlegung der Objekte anhand von Sedimentanalysen etc. state of Bavaria. Some of the results can also be found in the preliminary report. Along with expert reports mainly on archaeological basis4, technical and scientiic investigations were made, for example, one irst direct 14C dating, a mineralogical examination of the sediment recovered together with the inds in comparison to local materials as well as to surface deposits that did not belong to the objects, an evaluation of the possible tools used in the objects’ production, etc. Later investigations on the gold inds were conducted according to the following scheme: 1) 2) 3) 4) 5) Archaeological and stylistic assessment, including their manner of deposition; Examination of techniques in craftsmanship, raw material and inishing work; Examination of organic material; Examination for traces of use-wear; Examination on the deposition of the objects basing on sediment analyses, etc. Da auch das Bernsteinsiegel über die darin gefundenen Goldreste nicht getrennt vom Gold gesehen werden kann, ließen entsprechende Ergebnisse mit ein. Eine Beurteilung der gravierten Bernsteinobjekte ergänzt daher die Diskussion der Goldobjekte. As the amber seal contained traces of gold, it may not be viewed separately from the gold remains; therefore, the corresponding results are included here. An evaluation of the engraved amber objects, thus, augments the discussion about the gold objects. 1.2 Die aktuellen Thesen zur Fälschung des Goldes von Bernstorf 1.2 Current theses on the forgery of the gold from Bernstorf Ernst Pernicka vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH in Mannheim hat von 2014 bis 2016 die Goldfunde ebenso wie die gravierten Bernsteinfunde aus Bernstorf als eindeutige Fälschungen bezeichnet und zuletzt in einem 2016 erschienenen populärwissenschaftlichen Artikel in „Archäologie in Deutschland“ verlangt, diese unverzüglich aus jeder weiteren Diskussion zu nehmen5. Dies würde jedoch die monographische Bearbeitung der Objekte überlüssig machen, weshalb zu Beginn explizit Pernickas Argumentation einer kritischen Kurzbeurteilung ausgesetzt sei. Pernicka argumentiert rein als Chemiker und greift hierbei auch nur Teilaspekte heraus, die seine mit Vehemenz betriebene Fälschungsthese stützen. Im Prinzip trifft auch hier der Satz zu, den der Tübinger Althistoriker Frank Kolb im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit dem Troja-Projekt formulierte: „Pernicka ist Chemiker, der Archäometrie in Form einer Altersbestimmung von Metallen betreibt6“. Betrachtet man den Fall der Troja-Forschungen, so indet man viele Übereinstimmungen mit den Entwicklungssträngen im „Fall Bernstorf“. Vor allem die unterschiedliche Gewich- Ernst Pernicka of the Curt-EngelhornZentrum Archäometrie gGmbH in Mannheim designated the gold inds as well as the engraved amber as deinite forgeries in 2014 to 2016, and in 2016 in an article in the popular scientiic magazine “Archäologie in Deutschland” called for their immediate exclusion from any further discussion5. Such an exclusion would make the monographic study of the objects superluous; hence, it seems imperative to start with a brief but critical evaluation of Pernicka’s line of reasoning. Pernicka argues entirely from the perspective of a chemist, and thereby refers only to partial aspects, which support his vehemently proposed forgery-theory. A remark by Frank Kolb, professor of ancient history in Tübingen, with reference to the critical controversy in the Troy project applies in the present context as well: “Pernicka is a chemist, who practices archaeometry in the form of age determination of metals6“. When considering the case of research in Troy, many similarities with the developments in the “Bernstorf case” become apparent. Foremost the difference in importance applied to scientiic data as compared to culture historical 18 tung naturwissenschaftlicher Daten gegenüber kulturhistorischen Argumenten spielt hier eine entscheidende Rolle. Interpretationen aufgrund naturwissenschaftlicher Messungen werden im Allgemeinen von den Fachkollegen immer als „sicher“ angesehen, da ihnen ja Messungen und konkrete Zahlen zugrunde liegen. Meist wird dabei allerdings übersehen, dass hier vor allem das Umfeld der Messungen breit angelegte quellenkritische Prüfungen verlangt, angefangen bei der Repräsentanz der Probenauswahl, der Probenaufbereitung, über Messfehler und bis hin zur Qualität des Vergleichsmaterials etc. Dieses Umfeld erschwert bei der lückenhaften Kenntnis der erforderlichen antiken Vergleichsfunde jede archäometrische Untersuchung und führt bei näherer Betrachtung oft dazu, dass sich ein anfangs klein aussehendes Problem rasch zu einem umfangreicheren Forschungsproblem und -projekt entwickelt. Wie die folgenden kurzen Ausführungen an Hand des jüngsten Beitrags zeigen, geht es bei Pernickas Meinung zu Bernstorf nicht um eine Diskussion sich widersprechender Daten, sondern um die Beibehaltung und Verfechtung einer persönlichen Meinung, die sich aus einer zunächst sachlichen Diskussion heraus entwickelte7. Zu den hierzu eingesetzten Mitteln gehört auch die Einbeziehung iktiver Behauptungen, die die Öffentlichkeit oder der Leser nicht auf Anhieb prüfen kann8. So unterstrich Pernicka seine Fälschungsthese in einem Interviewbeitrag für die Fernsehsendung „Kontrovers“ mit der Aussage: „Wir haben ungefähr ein gutes Dutzend Hinweise auf Fälschung“, 4 5 6 7 Der Erwerb der Funde wurde durch den damaligen Leitenden Sammlungsdirektor der Archäologischen Staatssammlung München, Prof. Dr. L. Wamser, durchgeführt. Als externe Gutachter waren Prof. Dr. W. Menghin, Berlin, und Prof. Dr. P. Schauer, Regensburg, tätig. – The acquisition of the finds was made by Prof. Dr. L. Wamser, director of the “Archäologische Staatssammlung München“, at that time. The external expert opinions were provided by Prof. Dr. W. Menghin, Berlin, and Prof. Dr. P. Schauer, Regensburg. Pernicka 2016, 65. Kolb 2010, 228. E-Mail E. Pernicka an R. Gebhard 26.11.1998: „Gold kann zwar in der Natur in sehr reiner Form auftreten aber solch geringe Silbergehalte sind sehr selten. Ich denke in solchen Fällen immer auch an die Möglichkeit einer Fälschung. Wenn dies bei Deinen Proben ausgeschlossen ist, dann haben wir tatsächlich ein Problem, denn das Zementationsverfahren zur Trennung von Gold und Silber ist derzeit nur für das 5. oder 6. Jahrhundert v. Chr. in Sardis nachgewiesen. Es gibt zwar ältere Texte in Mesopotamien, arguments play a decisive role. Interpretations based on scientiic measurements tend to be invariably viewed as “reliable” by archaeologists and colleagues; after all, they are based on measurings and concrete numbers. Yet, it is mostly overlooked that particularly the context of the measurements requires extensive source-critical scrutiny, ranging from the representativeness of the samples chosen, the preparation of samples, and errors in measurement to the quality of the comparative material used. Given the imperfect knowledge with regard to ancient inds needed for purposes of comparison, this context makes any archaeometric investigation dificult. As a result, what at irst seems to be a small issue often develops rapidly into a comprehensive research problem and project upon closer inspection. As becomes apparent from the following brief remarks on his most recent article, Pernicka’s judgment about Bernstorf is not concerned with a discussion about contradictory data; it is about clinging to, and defending, a personal opinion which at irst developed out of an objective discussion7. The means employed include ictive assertions, which are dificult for the reading public to verify or falsify8. For example, Pernicka underscored his forgery thesis in an interview for the televised program “Kontrovers” with the statement: “We have about a good dozen clues that point to forgery”, 8 die von einem ‚gereinigten‘ Gold sprechen. Das kann sich aber auch auf Kupellation beziehen und ist außerdem weit entfernt von Mitteleuropa und selbst von Mykene. Andererseits ist das Gold von Mykene noch nicht erschöpfend analysiert. Vielleicht erleben wir dort auch noch Überraschungen. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Ich wüßte nicht einmal, wie man die Hypothese einer zementativen Trennung von Silber und Gold an einem Fertigobjekt überprüfen sollte“. – E-Mail E. Pernicka, 26 Nov. 1998: “While gold may occur in very pure form in nature, such small contents of silver are extremely rare. In such cases, I always consider the possibility that we are dealing with forgery. If this can be excluded with regard to your samples, we indeed have a problem because the only evidence of the cementation process used to separate gold and silver comes from 5th or 6th century Sardis. While there are older texts from Mesopotamia mentioning ‘purified’ gold, these may actually refer to cupellation. In addition, that region is far away from Middle Europe and even from Mycenae. On the other hand, the gold from Mycenae has still not been exhaustively analysed. Maybe we will get a surprise there, too. This is all I can say about that matter. I do not even know how to test the hypothesis of a cementative separation of gold or silver in an archaeological object”. Vgl. hierzu die Ausführungen Kolbs 2010, 241 zum Thema „Pseudoarchäologie“. 19 ohne dass eine entsprechende Anzahl an Hinweisen jemals veröffentlicht wurde9. In seinen Publikationen zum Thema konzentriert sich Pernicka auf die seiner Ansicht nach entscheidenden Faktoren der Bewertung der Metallzusammensetzung und der Sedimente, die aufgrund junger 14C-Daten seiner Meinung nach die Funde datieren würden. Tatsächlich zeigen sie aber nur an, dass, wie auch die bodenkundliche Analyse belegt, die Funde in einer Tiefe vergraben wurden, die noch Teil des Lebenszyklus ist. Da die beiden genannten Punkte im Hauptteil ausführlicher diskutiert werden, wird hier zunächst nur auf den dritten Aspekt seines Beitrags in der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ eingegangen10. Bei der Diskussion des durch 14C-Daten in das 14. Jahrhundert v. Chr. datierten Eichenholzstabes aus dem Inneren eines Goldblechs, – das bereits bei der Erstpublikation als wichtiges Argument für die Datierung verwendet wurde –, weicht Pernicka auf eine spektakulär einfache Lösung aus, die dem Leser suggeriert, dass der Sachverhalt damit endgültig geklärt sei. Er behauptet, dass der Eichenholzstab nicht authentisch sein könne, weil das zugehörige Goldblech keine Brandspuren aufweise. Als Beweis legt er das Foto eines Bernstorfer Goldblechs vor, bei dem er darauf hinweist, dass es keine Erhitzungsspuren zeige, sowie ein Bild mit einem Goldblech, das als „Küchentischversuch“ mit einem Spiritusbrenner partiell geschmolzen wurde. Letzteres erweckt beim Leser den Eindruck, dass primitivste Hilfsmittel hier zur zwingenden Beweisführung ausreichend seien. Zusätzlich argumentiert Pernicka mit der hohen Brandtemperatur von 1400 °C, die bei der Zerstörung der Holz-Erde-Befestigung von Bernstorf herrschte, und impliziert dadurch gleichzeitig den Eindruck, die Objekte würden aus dieser stammen. Er übernimmt dabei wie so oft zugleich die Rolle des „Archäologen“, die seine scheinbar breit angelegte Kompetenz in dem Beitrag weiter unterstreicht. Beides stellt jedoch eine fatale Fehleinschätzung dar. Welche Tatsachen können angeführt werden? Zunächst ist festzustellen, dass Pernicka die Erstpublikation von 1999 offenbar nicht mit der notwendigen Sorgfalt oder auch gar nicht gelesen hat11. Das in der „Archäologie in Deutschland“ abgebildete Blech (ASM Inv. 2002,9a) ist zunächst einmal gar nicht dasjenige, das das verkohlte Holzkohlestück enthielt. Es wurde lediglich mit der ersten Fundlieferung entdeckt und als mit dem Stab zusammenhängend diskutiert. Aus der zweiten Behauptung, die Goldbleche seien nicht verbrannt, geht ebenfalls die Ignoranz gegenüber der archäologischen Veröffentlichung hervor. Sowohl im Text als auch in Röntgenbildern 20 without a corresponding amount of evidence having been published9. In his publications on this topic Pernicka concentrates on the – in his opinion – decisive factors, that is, the evaluation of the metal composition and the sediments. According to him and based on 14 C-datings, these date later than the inds. Actually, however, the datings show only – as is conirmed by the pedological analysis – that the inds were buried in a depth that is still part of the life cycle. As these two points will be discussed in detail in the main part of the present publication, here attention is drawn only to the third aspect of Pernicka’s article in the magazine “Archäologie in Deutschland”10. In his discussion of the remains of the oak staff found inside a piece of gold sheet, radiocarbon dated to the 14th century BC – which was already used as an important argument for dating in the irst publication – Pernicka takes resort to a spectacularly simple solution, suggesting to the reader that the facts of the case are thus conclusively clariied. He maintains that the oak staff cannot be authentic, because the accompanying gold sheet does not display any traces of burning. As evidence he provides a photograph of a piece of Bernstorf gold sheet, pointing out that it shows no signs of overheating, as well as an image of a gold sheet that was partially melted using a spirit-burner in a “kitchen experiment”, in comparison. The latter image gives the reader the impression that the most primitive means are suficient to provide compelling evidence in the case under discussion. In addition, Pernicka argues using the high iring temperature of 1400°C, which pervaded during the destruction of the wall-ditch fortiication of Bernstorf, thereby insinuating that the objects derive from this conlagration. With that he assumes – as so often – the role of the “archaeologist”, who in the article adds more weight to his apparently broad expertise. However, both points represent a fatal misjudgement. Which facts can be employed? First it must be stated that Pernicka evidently did not read the irst publication on Bernstorf of 1999 with the necessary carefulness, or perhaps he did not read it at all11. To begin with, the gold sheet illustrated in his article in “Archäologie in Deutschland” (2002, 9a) is deinitely not the one that contained the charred wood. It was simply discovered in the irst supply of inds, and considered as related to the wooden staff. The second assertion, that the gold sheet was not burnt, also derives from ignorance about the archaeological publication. In the text as well as in X-ray images are clearly indications that several pieces of gold sheet bear traces wurde bereits deutlich darauf hingewiesen, dass mehrere Goldbleche partielle Sinter- oder Brandspuren tragen, die auf ein Brandereignis hinweisen12. Es wurde an keiner Stelle behauptet, dass diese durch Kontakt mit der brennenden Mauer verursacht worden seien, zumal die Stücke in einem Bereich gefunden wurden, der eine primäre Lage direkt an oder in der Mauer ausschließt. Insofern ist der vermeintlich „naturwissenschaftliche“ Versuch zum Schmelzen eines Goldblechs in diesem Zusammenhang sinnlos und dient nur der suggestiven Untermauerung einer in archäologischer Unkenntnis aufgestellten Behauptung. Die Fragestellung, die hier aufzugreifen wäre, ist ganz anders, nämlich: Gibt es Beobachtungen an gesicherten archäologischen Funden, die partielle Schmelzvorgänge erkennen lassen (vgl. hierzu Kapitel 6). Dieses Beispiel macht deutlich, dass Pernicka an einer präzisen archäologischen Diskussion nicht teilnimmt. „Grenzwerte“ bei Zementationsverfahren Als Chemiker will Pernicka glauben machen, dass die Läuterung des Goldes bestimmten Grenzwerten unterliege. Hierzu verwendet er die Daten eines Versuchs von Wunderlich, der unter speziischen Bedingungen ein Ergebnis liefert, das sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass unter diesen Bedingungen Kupfer nur bis zu einem Gehalt von 0,01 % entzogen wird13. Diesen Wert verallgemeinert Pernicka und folgert daraus, dass der niedrigere Kupferwert von Bernstorf eindeutig belege, es handele sich um elektrogalvanisch gewonnenes und damit um modernes Gold. Diese Schlussfolgerung wurde von Pernicka nicht kritisch auf mögliche Fehlerquellen untersucht, ist in mehrfacher Hinsicht höchst fragwürdig und in keiner Weise zwingend. Folgende Gründe sind anzuführen: 1) In den gleichen Versuchsreihen von Pernicka und Wunderlich werden unter bestimmten Bedingungen (Alaun und Alaun/Salzmischungen) die Werte von Bernstorf erreicht. Bei der Anwendung einer Mischung von Salz und Alaun ist sogar die Zusammensetzung und Reinheit des Bernstorfer Goldes reproduzierbar. Hieraus ist zu folgern, dass es allenfalls für bestimmte Konditionen Grenzwerte gibt, diese aber nicht grundsätzlich gelten können. Da zu der Zeit, zu der die Bernstorfer Goldobjekte entstanden sind, im Vorderen Orient in der Metallurgie auch mit Alaun gearbeitet wurde, gibt es keinen Grund zu einer Behauptung, dass ein optimaler Prozess nicht möglich gewesen sei. of sinter or burning, implying an incidence of ire12. Nowhere in the 1999 publication is it stated that these traces might have been caused by contact with the burning wall, especially since the pieces were found in an area that would exclude a primary position directly at or in the wall. Thus, in this regard the socalled “natural scientiic” test of melting a piece of gold sheet was useless and serves only to subjectively undermine an assertion made without archaeological expertise. The line of inquiry that should have been followed is quite another, namely: Are there observations on undisputed archaeological inds on which traces of partial melting can be recognised (cp. here chapter 2.1.3)? This example clearly shows that Pernicka does not partake in a precise archaeological discussion. “Limits” in processes of cementation Being a chemist, Pernicka tries to argue that there are certain limits to the puriication of gold. He uses data gained in an experiment by Wunderlich, which under speciic conditions yields the result that copper is only extracted up to a content of 0.01%13. Pernicka generalizes that igure, concluding that the low copper content of the Bernstorf samples is clear evidence of the fact that the gold has been produced electro-galvanically and is, therefore, of modern date. This conclusion was not tested for possible sources of error by Pernicka. It is dubious in various respects, and by no means conclusive for the following reasons: 1) Under speciic conditions (alum and alum/ salt mixtures), the same series of experiments by Pernicka and Wunderlich yields igures that are comparable to those of the Bernstorf gold. If a mixture of alum and salt is used, it is even possible to reproduce the composition and purity of the gold found in Bernstorf. We can thus conclude that there may be limiting values under speciic conditions, but that these cannot be generalized. As alum was one of the substances used in metallurgy in the Middle East at the time the Bernstorf gold objects 9 10 11 12 13 BR Fernsehen, „Kontrovers“, Sendung vom 02.12.2015, 21:00. http://www.br.de/mediathek/ video/sendungen/kontrovers/bernstorf-goldfaelschung-verdacht-102.html (abgerufen am 14.08.2016). H. Meller äußert sich in der gleichen Sendung mit „15 Indizien sind vorhanden“. Pernicka 2016, 65. Gebhard 1999. Gebhard 1999. Wunderlich u. a. 2014. Pernicka 2014b, 521. 21 2) Der niedrige Kupferwert des Bernstorfer Goldes tritt in den Analysen von Pernicka und den Analysen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) auf. In den Analysen des Instituts für Geowissenschaften (Frankfurt) und K. Th. Fehr/ R. Hochleitner (München) wurde dagegen ein Kupfergehalt ermittelt, der die iktive Grenze von 0,01 % wiederum überschreitet. Je nach Labor wären hier unterschiedliche Schlussfolgerungen zu ziehen. 3) Die Thesen Pernickas berücksichtigen nicht die Möglichkeit, dass als Ausgangsmaterial auch sehr kupferarmes Flussgold in Frage kommt. Um hier einen direkten Vergleich zu den Labordaten des Mannheimer CurtEngelhorn-Zentrums zu ermöglichen, sei eine Analyse von Pernicka für Goldreste in einem bronzezeitlichen Steingerät vom benachbarten Domberg bei Freising angeführt, bei dem das Curt-Engelhorn-Zentrum einen niedrigen Kupfergehalt von 0,0057 % ermittelt hat14. Der Silbergehalt der Freisinger Probe beträgt 2 %. 4) Die Thesen Pernickas berücksichtigen nicht das bekannte Phänomen, dass eine Bodenlagerung von Goldobjekten zu einer Oberlächenauslaugung führt. Diese ist sehr stark abhängig von den lokalen und speziischen Bodenbedingungen. Bei keltischen Münzen konnten Abreicherungstiefen von 100 μm und mehr nachgewiesen werden. Da die Korrosion die Objekte von allen Seiten angreift, ist bei Blechen, die eine Stärke von etwa 0,08 mm haben, eine Abreicherung sogar bis zum Kern möglich. were made, there is no reason to allege that an optimal process was not feasible. 2) The low copper content of the Bernstorf gold appears in the analyses by Pernicka and by the “Bundesanstalt für Metallforschung und -prüfung” (BAM, Federal Institute for Materials Research and Testing). According to the analyses by the department of geoscience (Frankfurt) and K.Th. Fehr/R. Hochleitner (Munich), in contrast, the copper content is above the ictitious limit of 0.01%. Hence, the conclusions to be drawn differ, depending on the laboratory where the analysis was made. 3) Pernicka’s theses do not allow for the possibility that alluvial gold, which has a very low copper content, may have been the raw material. An analysis by Pernicka of gold residue in a Bronze Age stone tool from the Domberg near Freising, which is in the vicinity of Bernstorf, helps to make a direct comparison with the laboratory data of the Curt-EngelhornZentrum in Mannheim. According to the CurtEngelhorn-Zentrum, the copper content of that residue is low, amounting to 0.0057 %14. The silver content of the Freising sample is 2 %. 4) Pernicka’s theses disregard the well-known phenomenon of surface leaching in gold objects immersed in the soil. This process depends to a large degree on the local and speciic soil conditions. In Celtic coins, there is evidence of depletion by 100 μm and more. As the corrosion affects the objects from all sides, depletion may even pervade all the way to the core in metal sheets that are about 0.08 mm thick. (Zwischen)Fazit (Preliminary) Conclusion Die Aussage zur Goldzusammensetzung als eindeutiges Indiz für eine Fälschung anzuführen, ist bei einer ersten knappen Betrachtung nur von geringer Relevanz und könnte allenfalls als zusätzliches Argument vorgebracht werden, wenn es eindeutige andere Indizien für eine Fälschung gäbe. Der vorangegangene Absatz sollte dem Leser den Ausgangspunkt der Diskussion verdeutlichen. Die genannten Aspekte werden im Hauptteil und in den Beiträgen vertieft und erweitert. Eine der Kernfragen ist dabei die Bewertung der Relevanz naturwissenschaftlicher Daten und kulturwissenschaftlicher Grundlagen. Wie problematisch dabei die Beurteilung von antiken Objekten durch Pernicka sein kann, stellt Harald Schulze (s. Teil B, S. 190 ff.) anhand eines griechischen Goldblechs dar. A irst look at the facts and circumstances shows that adducing the statement on the composition of the gold as clear evidence of forgery is of little relevance; at best, it might be used as an additional argument if there was additional clear evidence of forgery. The above section was intended to familiarize the reader with the point of departure of the debate. The aspects mentioned will be discussed in more detail and depth in the main part of the present volume, as well as in the contributions. In that context, one of the key questions concerns the assessment of the relevance of data gained by the natural and cultural sciences. How problematic the evaluation of antique objects by Pernicka can turn out, is shown by Harald Schulze (part B, p. 190 et sqq. in this volume) based on a Greek gold sheet. 22 1.3 Archäologie als Naturwissenschaft? 1.3 Archaeology as a Natural Science? Archäologie als Naturwissenschaft? Mit diesem Titel, der gleichwohl eine rhetorische Frage beinhaltet, beginnen Stefanie Samida und Manfred K. H. Eggert ihre kleine Streitschrift zu dem Wechselspiel von Naturwissenschaften und Archäologie, der Datengläubigkeit und dem sich abhängig machen von den Naturwissenschaften und ihren Messergebnissen15. Dennoch, naturwissenschaftliche Analytik ist heute mehr denn je eine wichtige Grundlage und Ergänzung für den Kulturwissenschaftler und Archäologen, um etwa Auskünfte über Materialien und ihre speziische Zusammensetzung zu erhalten. Daraus lässt sich z.B. eine Materialtypologie ableiten, die der Formtypologie hilfreich zur Seite gestellt werden kann und so den Archäologen unterstützt, über die eigenen Methoden hinweg eine weiterführende kulturhistorische Bewertung vorzunehmen16. Dabei dürfen sich Archäologen jedoch nicht unkritisch in die Abhängigkeit der Aussagen von Naturwissenschaftlern begeben, denn eine Interpretation und kulturhistorische Einordnung sollte ausschließlich im Dialog zwischen beiden Seiten erfolgen. Die archäologischen Kriterien und Methoden müssen stets mindestens gleichberechtigt angewandt werden, zumal wenn die naturwissenschaftliche Analytik in den Grenzbereich ihrer Möglichkeiten und Interpretationen gelangt. Im Fall der Goldbleche von Bernstorf und der Analytik durch den Chemiker Pernicka wurde dieser Grundsatz nicht beachtet. Pernicka hat in Absprache mit der Archäologischen Staatssammlung München (ASM), nach einer ersten Analysenreihe am Institut für Geowissenschaften (Frankfurt), eine weitere Messreihe durchgeführt. Dabei kam er zu abweichenden Ergebnissen und hat diese gegen die Absprachen mit der ASM publiziert und nach seinen Vorstellungen ohne die Beteiligung der Archäologen interpretiert. Dabei sind bei Weitem nicht alle notwendigen Kriterien für eine fundierte wissenschaftliche Ansprache und Einordnung berücksichtigt worden und so hat Pernicka den Vorwurf erhoben, dass es sich bei den Bernstorfer Goldblechen um modernes Gold und damit um Fälschungen handeln müsse. Diesen Vorwurf hat er hartnäckig auch zusammen mit Meller17 mehrmals wiederholt und mit alten und überholten Erkenntnissen zu untermauern versucht. Er verweist auf den Münchener Workshop vom Oktober 2014, als der Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen einem internationalen Kollegenkreis zur fachinternen Diskussion präsentiert wurde, um Anregungen Archaeology as a natural science? With this title, which nonetheless includes a rhetoric question, Stefanie Samida and Manfred K. H. Eggert open their concise polemic on the interplay of natural sciences and archaeology, the fetishization of data, and the unconditional reliance on the natural sciences and their measurement results15. Yet, natural scientiic analysis is more than ever an important basis and complementary tool for cultural scientists and archaeologists today, yielding information on materials and their speciic composition. For example, it enables researchers to develop a useful typology of materials that complements the typology of forms, thus helping the archaeologist to make a broader cultural-historical assessment based on more than just his/her own methodologies16. However, archaeologists should not make themselves uncritically dependent on the statements of natural scientists, as any interpretation and cultural-historical assessment ought to be exclusively based on a dialogue between both sides. Archaeological criteria and methods need to be given at least the same weight as natural historical ones, all the more so if natural scientiic analysis gets to the limits of its possibilities and interpretations. This principle was ignored in the analysis of the Bernstorf gold sheets undertaken by the chemist Pernicka. After a irst series of analyses had been conducted by the department of geoscience (Frankfurt), Pernicka undertook another series of tests in consultation with the “Archäologische Staatssammlung München” (ASM, Munich National Archaeological Collection). He gained different results which he published and interpreted according to his own ideas, in violation of the agreement with the ASM and without any involvement of the archaeologists. In that process, by no means all criteria necessary for a solid scholarly assessment and classiication of the ind were fulilled, with the result that Pernicka has claimed that the Bernstorf gold sheets are made of modern gold, and thus are forgeries. He has persistently repeated that suspicion, sometimes 14 Archäologischer Verein Freising (Hrsg.), Mitteilungen für Mitglieder 1/2015, 4. 15 Samida/Eggert 2013. 16 Krause 2003, 15. 17 Pernicka und Meller, zuletzt in der Fernsehsendung „Kontrovers“ vom 02.12.2015, http://www.br.de/ mediathek/video/sendungen/kontrovers/bernstorfgold-faelschung-verdacht-102.html (abgerufen am 14.08.2016). 23 und weitere Untersuchungen zu diskutieren. Für die Hauptautoren dieses Bandes war das Kolloquium sehr wertvoll, da wichtige Fragen aufgeworfen wurden und weitere Kollegen für Untersuchungen gewonnen werden konnten. Dadurch konnte der Kenntnisstand erweitert oder alte Ergebnisse bestätigten werden. Die einseitig aus dem Kolloquium entnommenen und zuletzt noch 2016 von Pernicka wiederholten Argumente gaben aufgrund des fehlenden Dialoges mit dem Projektteam einen veralteten und unvollständigen Stand der wissenschaftlichen Forschungen wieder18. Da der Gesamtsachverhalt sehr vielschichtig ist, wurde darauf verzichtet, auf die in diesem Zusammenhang entstandenen publizistischen Beiträgen jeweils mit Entgegnungen zu antworten und anstelle dessen eine „klassische“ Diskussionsvorlage in gedruckter Form erstellt. 18 Pernicka 2016. Beispielsweise stammt das dort zitierte und abgebildete Goldblech auf S. 65 unten nicht von der Umwicklung des verkohlten Eichenholzstabes. Das Goldblech der Stabumwicklung zeigt dagegen in der Tat Schmelzspuren infolge der Hitzeentwicklung auf, vgl. dazu schon Gebhard 1999, 5, Nr. 6a, Abb. 6. – Mit einer derartig fehlerhaften Recherche und Darstellung versucht Pernicka offenbar, gezielt Stimmungsmache gegen den Bernstorfer Goldfund zu betreiben. – For example, the gold sheet mentioned and illustrated in that article on p. 65 (bottom) is not from the wrapping of the charred oak-wood staff. The gold sheet from the wrapping of the staff, in contrast, does indeed show traces of 24 jointly with Meller17, and tried to bolster it with evidence that is dated and no longer valid. He refers to the Munich Workshop of October 2014, at which the status quo of scholarly research was presented to an international circle of colleagues for internal discussion, so as to talk about ideas and further studies. That colloquium was very valuable for the authors of the present volume, as important issues were raised and more colleagues could be won for further research. The workshop helped broadening the state of knowledge and conirming the validity of former results. Due to the lack of dialogue with the project team, the selected arguments picked up from the workshop by Pernicka represent an outdated and incomplete picture of the state of scholarly research. He has continued to bring forth these arguments, most recently in 201618. Given the complexity and multifacetedness of the issue as a whole, no rejoinders were written in response to the individual publications that appeared in print in that context. Instead, a “classical” basis for discussion was compiled in printed form. Translation: Sabine Lang, Berlin melting due to the generation of heat; on this, see Gebhard 1999, 5, no. 6a, Fig. 6. – By means of such faulty research and presentation, Pernicka obviously attempts to discredit the Bernstorf gold find. 9 Synthese 9 Synthesis Die Monographie über die Goldfunde von Bernstorf und die Diskussion über ihre Echtheit begann einleitend mit Überlegungen, welche Bedeutung die Glaubwürdigkeit der Finder hat, und der Frage nach davon unabhängig ermittelbaren und interpretierbaren Daten. Die Zusammenfassung wird sich auf den zweiten Punkt konzentrieren, dabei die einzelnen Themen in Form von Fragen formulieren und abschließend ein Fazit zu ziehen. Ein erster Fragenkomplex soll nochmals die Argumente für die These, die Gold- und Bernsteinfunde wären Fälschungen, zusammenfassen und deren Stichhaltigkeit prüfen. Auch wenn öffentlich von angeblich einem guten Dutzend bis 15 Argumenten372, die für eine Fälschung sprechen, gesprochen wurde, handelt es sich um insgesamt vier Punkte: The introduction to the present monograph on the Bernstorf gold inds and on the discussion about their genuineness focused on two issues: How much importance is to be attached to the credibility of those who discovered the objects? And what data can be identiied and interpreted regardless of the issue of credibility? The conclusion will focus on the latter point, formulate the individual topics as questions, and sum up the results. A irst complex of questions will once again summarize the arguments bolstering the thesis that the gold and amber inds are forgeries, and test the soundness of these arguments. Even though public mention has been made of a dozen or even 15 arguments allegedly supporting the forgery thesis372, there are actually but four: 1) Die chemische Zusammensetzung des Goldes; 2) Die 14C-Datierung von organischen Materialien; 3) Eine Autopsie der Bernsteinfunde und deren direkter Bezug zum Goldfund; 4) Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Finder und ihrer Darstellung der Fundgeschichte. 1) The chemical composition of the gold; 2) The 14C dating of organic materials; 3) An autopsy of the amber inds and their immediate connection with the gold ind; 4) Doubts as to the credibility of the inders, and the trustworthiness of their version of the discovery of the inds. Diese vier Themen wurden in der vorliegenden Publikation ausführlich dargestellt und diskutiert. 1) Die chemische Zusammensetzung des Goldes Das Gold von Bernstorf ist von hoher Reinheit. Die erstellten Analysen stimmen in Grundzügen überein, lassen aber keinen durchgehenden Reinheitsgrad von 99,99 % erkennen. Der Silbergehalt schwankt bis zu einer Größe von 0,2 %, in Einzelmessungen noch höher. Der Kupfergehalt ist mit etwa 50 ppm sehr niedrig, schwankt aber bis zu 300 ppm. Die Verteilung der Elemente im Gold ist inhomogen. Gold dieser Reinheit kann, wie Experimente und Vergleichsstücke zeigen, mit antiken Methoden des Zementationsverfahrens erzeugt werden. Die chemische Zusammensetzung erlaubt keine Aussage über das zugrunde liegende Läuterungsverfahren. Die Inhomogenität könnte für die Anwendung eines Zementationsverfahrens sprechen, die Untersuchungsgrundlage ist hierfür allerdings noch nicht ausreichend. Schriftliche Quellen belegen eine umfangreiche Anwendung der Goldläuterung während des gesamten 2. Jahrtausends v. Chr. Die Metallanalysen alleine erlauben nach dem heutigen Forschungsstand und entgegen der Ansicht Pernickas keine Bewertung, ob der Goldfund echt oder falsch ist. These four issues have been outlined and discussed in detail in the present publication. 1) The chemical composition of the gold The Bernstorf gold is of high purity. The analyses conducted agree in their essentials, but do not consistently reveal a 99.99% degree of purity. The silver content varies, its maximum being 0.2% or, in individual tests, even higher. The copper content is about 50 ppm and thus very low, but it varies as well, sometimes reaching 300 ppm. The distribution of the elements in the gold is inhomogeneous. As becomes apparent from experiments and comparative samples, gold of that purity could be made in antiquity using the procedure of cementation. The chemical composition does not permit any statement about the reinement technique used. The inhomogeneity may be due to a cementation procedure, but there is as yet not enough research to answer that 372 E. Pernicka und H. Meller, zuletzt in der FernsehSendung „Kontrovers“ vom 02.12.2015. <http:// www.br.de/mediathek/video/sendungen/kontrovers/bernstorf-gold-faelschung-verdacht-102. html> (abgerufen am 14.08.2016) 145 2) Die 14C-Datierungen an einem Holzkohlerest, an Mikrospuren auf dem Gold und an organischen Resten aus zu den Goldfunden gehörenden Sedimentproben führten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein zum Goldfund gehöriges verkohltes Stabfragment aus Eichenholz ergab in mehreren Untersuchungen eine eindeutige Datierung in die Bronzezeit. Die Mikrospuren organischer Substanzen (Syringole und Syringol-Derivate) auf der Oberläche des Goldes ergaben kein verwertbares Datum. Die organischen Reste aus den Sedimentproben lieferten jüngere Daten und entsprechen damit der geringen Vergrabungstiefe. Damit lassen sich aus den jungen Daten aber keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Alter des Goldfundes ziehen. Da Manipulationen ausgeschlossen werden können, bleiben für die Bewertung des Goldfundes selbst die bronzezeitlichen 14C-Daten relevant, die eindeutig für eine Echtheit des Fundes sprechen. 3) Die Bernsteinfunde sind schwieriger zu untersuchen als die Goldfunde. Der im Bericht von K. Verkooijen vermittelte Eindruck, dass eine Fälschung vorliege, kann durch eine Untersuchung im UV-Licht nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, es lassen sich eindeutige Belege für eine Verwitterung der Gravuren inden. 4) Die Einschätzung, die die ehrenamtlichen Finder aufgrund der Fundsituation bei den Goldfunden und allen Bernsteinobjekten unter Verdacht der Manipulation stellt, ist in einigen Fällen klar widerlegbar. Die Finder haben die Richtigkeit ihrer Darstellung wiederholt betont und dies darüber hinaus durch eine eidesstattliche Erklärung öffentlich bekannt gegeben. Es existiert bislang kein Beleg, der auf eine Manipulation hinweisen könnte. Details zur Aufindungssituation, z. B. die ursprüngliche Fundlage der Objekte, können unabhängig von den Aussagen der Finder geklärt werden. Fasst man die Diskussion dieser zentralen vier Punkte zusammen, so lassen sich unter den bislang öffentlich vorgetragenen Vorwürfen keine stichhaltigen Argumente inden, die für eine Fälschung sprechen. Die Zusammenfassung soll daher in einem zweiten Themenblock erweitert werden, der alle Untersuchungsergebnisse resümiert, die eine bronzezeitliche Zeitstellung und eine authentische Vergrabung am Fundort Bernstorf belegen können. 146 question. In the written sources, there is ample evidence of widespread use of gold reinement during the entire second millennium BC. Given the current state of research, and contrary to Pernicka’s opinion, the metal analyses alone do not allow an assessment of the gold ind’s genuineness or forgery. 2) 14C dating of a piece of charcoal, microtraces on the gold, as well as organic remains from sediment samples associated with the gold inds yielded diverse results. A charred fragment of an oak-wood staff, which is associated with the gold ind, was tested several times and consistently dated as Bronze Age. The micro-traces of organic substances (syringols and syringol derivates) on the surface of the gold did not yield any usable data. The organic remains from the sediment samples yielded more recent dates, which is in accordance with the fact that the inds were not buried deep in the soil. Hence, the more recent dates do not allow any inferences as to the actual age of the gold ind. As manipulations can be ruled out, the Bronze-Age 14C dates, which clearly support the genuineness of the ind, are relevant for the assessment of the gold ind. 3) The amber inds are more dificult to analyze than the gold inds. The report by K. Verkoojen conveys the impression that the objects are forged. This is not supported by an examination using UV light. To the contrary: the engravings show clear evidence of weathering. 4) The suspicion of manipulation, cast on the volunteer inders due to the circumstances of the discovery of the gold inds and all amber objects, can be clearly refuted in some respects. The inders have repeatedly stressed the veracity of their account. In addition, they have publicly stated that veracity by means of a statutory declaration. As yet, there is no evidence whatsoever suggesting manipulation. Details of the setting of the ind, such as the original position of the objects when found, can be clariied irrespective of the inders’ statements. If we summarize the discussion of these four crucial issues, the accusations that have so far been publicly made lack any solid arguments supporting the forgery thesis. The conclusion will thus be extended by a second thematic bloc summing up all results of research that provide evidence that the objects date from the Bronze Age and that they were actually buried at the Bernstorf site. 1) Sind die Goldfunde Bodenfunde aus Bernstorf ? Der Nachweis, dass die Goldfunde und einer der gravierten Bernsteine (Siegel) im Innenbereich der Siedlung vergraben waren, wurde durch bodenkundliche Untersuchungen erbracht. Die bodenkundlichen Analysen ermöglichten sowohl eine Veriizierung der Fundstelle als auch eine Aussage über die ursprüngliche Fundtiefe bzw. Tiefenlage der Objekte. 1) Are the gold objects archaeological inds from Bernstorf, retrieved from the soil? Evidence that the gold inds and one of the engraved pieces of amber (seal) had been buried inside the settlement was provided by pedological analyses. The pedological analyses veriied the site of discovery, and made it possible to ascertain the original depth in which the objects were buried in the soil. 2) Lassen sich die Goldfunde direkt datieren? Eines der Goldblechfragmente enthielt die verkohlten Reste eines zugerichteten Eichenholzstabes. Vier 14C-Datierungen verweisen kalibriert übereinstimmend in das 14. Jahrhundert v. Chr. 2) Is it possible to date the gold inds themselves? One of the gold-sheet fragments contained the charred remains of a inished oak-wood staff. Four calibrated 14C datings are consistent in dating the wood to the 14th century BC. 3) Können die Goldfunde zeitlich mit anderen Befunden am Fundort in Beziehung gesetzt werden? Der Siedlungsplatz Bernstorf wurde zeitgleich (im 14. Jahrhundert v. Chr.) mit einer 1,6 km langen Holz-Erde-Mauer befestigt. Die umfasste Fläche bildet die größte Anlage dieser Art in Mitteleuropa. Bei den Ausgrabungen fanden sich unmittelbar hinter dem Wall weitere Deponierungen mit Keramikgefäßen. 3) Is it possible to correlate the gold inds with other features at the site in terms of time? The Bernstorf settlement site was fortiied with a wood-and-earth wall, which is 1.6 kilometres in length, at the same time (14th century BC). The area enclosed by the wall is the largest site of this type in Middle Europe. When excavations were made, further deposits were found immediately behind the wall, containing pottery. 4) Fügen sich die Gold- und Bernsteinfunde sinnvoll in das bronzezeitliche Kulturgeschehen ein? Die Gold- und Bernsteinfunde entsprechen dem sich gerade in den letzten Jahrzehnten verdichtenden Bild eines zunehmenden mediterranen Einlusses in Mittel- und Nordeuropa insbesondere auch während des 14. Jahrhundert v. Chr. Für die Verwendung von Goldblechstreifen kann auf eine Fundgruppe im Pilsener Becken verwiesen werden. 4) Do the gold and amber inds make sense in the context of Bronze-Age cultural developments? The gold and amber inds are in accordance with evidence – which has been growing over the past decades – of increasing Mediterranean inluence in Middle and Northern Europe, particularly in the 14th century BC. As to the use of gold-sheet strips, reference can be made to an assemblage found in the Pilsen Basin (Pilsener Becken). 5) Gibt es direkte Vorbilder? Eine unmittelbare Nachahmung und Imitation etwa mykenischer Goldbleche liegt nicht vor. Die Objekte sind singulär, aber durch außergewöhnliche Details in das kulturelle Schaffen dieser Zeit nach stilistischen und typologischen Kriterien einordenbar. Die Lesung der Linear-B-Inschrift des Bernsteinsiegels ist im Rahmen einer komplexen Diskussion der Quellen möglich. Das Bernsteingesicht zeigt einen Bezug zu mykenischen Kultstatuetten. 5) Are there immediate models? There is no evidence of any direct imitation, for example, of Mycenaean gold sheets. While the objects are unique, it is nevertheless possible to classify them, due to extraordinary details, within the context of cultural works of the time according to stylistic and typological criteria. In the context of a complex discussion of the sources, it is possible to decipher the Linear-B inscription on the amber seal. The amber face refers to Mycenaean cultic igurines. 6) Sind bronzezeitliche Handwerkstechniken nachweisbar? Die beobachteten technischen Merkmale lassen eine handwerkliche Herstellung mit einfachen Werkzeugen erkennen. Die von den Werkzeugen hinterlassenen Spuren sind teilweise unspeziisch, teilweise, wie im Bereich 6) Is there evidence of Bronze Age craftsmanship? The technological features reveal that the objects were made with simple tools. Some of the traces left by the tools are non-speciic; with regard to other aspects, such as the manufacture of metal sheets, there is a lack of 147 Bereich Merkmale/Eigenschaften Besondere Erfordernisse 1. Goldblechherstellung Materialstärke, Größe der Blechstreifen, kreuzweise Bearbeitung der Oberlächen 2. Zuschnitt des Goldblechs Messerschnitt mit nachträglicher Alterung der Kante hohe Erfahrung in handwerklicher Blechherstellung und Umgang mit einfachen Werkzeugen (Stein, Knochen, Holz) Rasterelektronenmikroskop (REM) Manipulation im Mikrobereich REM 3. Verzierung des Goldblechs 4. Oberlächenveränderung und Alterung 5. Organische Aulage auf dem Gold 6. 14 Mikrospuren von Verbrennungsprodukten frischen Holzes C-Datum Holzstab 7. Deponierung 8. Sedimente Goldfund 9. Sedimente Bernsteinsiegel Faltung und Teilzerstückelung der Bleche Einheitliches, natürlich entstandenes Sediment, 137CSGehalt wie vergleichbares Proil am Fundort Einheitliches, natürlich entstandenes Sediment, 137CSGehalt wie vergleichbares Proil am Fundort 10. Bernsteinsiegel mit Goldlahn in Lochung 11. Inschrift Bernsteinsiegel 12. Oberlächeneigenschaften und Verwitterungsspuren Bernsteinsiegel 13. Bernsteingesicht mit Piktogrammen 14. Oberlächeneigenschaften und Verwitterungsspuren Bernsteingesicht Tab. 12. Besondere Merkmale der Goldund Bernsteinfunde, die nicht oder nur mit bislang unbekannten Methoden zu fälschen wären. Die mit * markierten Merkmale werden als nicht fälschbar eingeschätzt. Unbekannte Inschrift in Linear B, Piktogramm im Stil mykenischer Darstellungen Gezielte Alterung im Mikrobereich Zugang zu einem bronzezeitlichen, verkohlten Holzstab mit bekanntem 14C-Datum aus dem 14. Jh. v. Chr.* Archäologische Kenntnisse bronzezeitlicher Deponierungssitten Bodenkundliche Fachkenntnisse, Detailkenntnisse zum Tschernobyl-Fallout* Bodenkundliche Fachkenntnisse, Detailkenntnisse zum Tschernobyl-Fallout* Zuschnitt von Feinstdrähten inkl. Alterung der Schnittkanten* REM Spezialkenntnisse Mykenologie Spezialkenntnisse zur Fluoreszenz von bearbeiteten Bernsteinen* „Lächelndes, bärtiges Gesicht“. Unbekannte Zeichenfolge Kenntnisse der Ikonographie mykenischer Kultbilder Gezielte Alterung im Mikrobereich Spezialkenntnisse zur Fluoreszenz von bearbeiteten Bernsteinen* der Blechherstellung, liegen keine umfangreichen Vergleichsuntersuchungen vor. Die exemplarische Betrachtung von Funden aus dem mykenischen Bereich zeigt verwandte Merkmale. Die bronzezeitliche Verwendung von geläutertem hochreinem Gold ist bislang nur an wenigen Objekten, wie z. B. der Goldscheibe von Moordorf, nachgewiesen. Nach den umfangreichen Quellen aus dem Vorderen Orient zu schließen, war die Verwendung von hochreinem Gold in größerem Umfang üblich als bislang in der europäischen Forschung wahrgenommen. 7) Gibt es am Gold und an den gravierten Objekten Merkmale einer Bodenlagerung? Sowohl die Goldfunde als auch die Bernsteinobjekte zeigen Veränderungen der Oberläche, die bislang kaum erforscht sind. Zum Zeitpunkt der Aufindung waren die beobachteten Phänomene, z. B. Goldumbildungen auf 148 Archäologische Spezialkenntnisse bronzezeitlicher Motive Spezialkenntnisse zur Erzeugung von Goldumbildungen im Mikrobereich* REM Erzeugung von Mikrospuren* comprehensive comparative studies. A look at exemplary inds from the Mycenaean sphere shows that there are similarities. Evidence of the use of reined, high-purity gold has so far been established for but a few objects, such as the Moordorf gold disc. Judging from the large body of sources from the Near East, the use of high-purity gold was much more common than was formerly assumed by European researchers. 7) Do the gold and the engraved objects have features indicating that they were buried in the soil? Both the gold inds and the amber objects show changes on their surfaces. These changes have as yet been little studied. At the time the inds were discovered, the phenomena observed – such as authigenous gold and the effects of the luorescence of amber – were still unknown. Aspect Features/Characteristics Speciic requirements 1. Gold-sheet fabrication Thickness of the material, size of the metal sheets, crisscross work on the surfaces 2. Cutting the gold sheet Knife-cut with a posteriori ageing of the edges 3. Decoration of the gold sheet 4. Changes and ageing of the surfaces 5. Organic remains on the gold Much experience both in the craft of metal-sheet making and in handling simple tools (stone, bone, wood) Scanning electron microscope (SEM) Manipulation on the microscopic level SEM Archaeological specialist knowledge of Bronze-Age motifs Specialist knowledge in creating changes in gold on the microscopic level* SEM Creation of micro-traces* 6. 14 7. Depositing 8. Sediments gold ind 9. Sediments amber seal Micro-traces of charred matter C dating of the wooden staff 10. Amber seal with gold-wrapped thread in perforation 11. Inscription amber seal 12. Surface features and traces of weathering of amber seal 13. 14. Access to a Bronze Age charred wooden staff known to be 14C-dated to the 14th century BC* Folding and partly fragmenting the sheets Uniform sediment of natural origin, 137CS content identical with comparable proile at the site of discovery Uniform sediment of natural origin, 137CS content identical with comparable proile at the site of discovery Archaeological knowledge of Bronze Age depositing practices Pedological specialist knowledge, detail knowledge with regard to the Chernobyl fallout* Pedological specialist knowledge, detail knowledge with regard to the Chernobyl fallout* Cutting of extremely ine wire, including ageing of the cut edges* SEM Specialist knowledge in Mycenaeology Unknown inscription in Linear B, pictograph in the style of Mycenaean depictions Intentional ageing on the microscopic level Specialist knowledge with regard to the luorescence of processed amber* Amber face with pictographs “Smiling face of a bearded man”. Unknown sequence of symbols Knowledge of the iconography of Mycenaean cultic images Surface features and traces of weathering of amber face Intentional ageing on the microscopic level Specialist knowledge with regard to the luorescence of processed amber* der Oberläche in der bei Bernstorf beobachteten Art und die Effekte der Fluoreszenz von Bernsteinen unbekannt. Abschließend sei die Frage gestellt, ob die im zweiten Themenblock zusammengefassten Beobachtungen allesamt im Sinne einer perfekten Fälschung modern hergestellt worden sein könnten. Die Frage ist teilweise hypothetisch, weil viele Merkmale bis zur Durchführung der vorliegenden Untersuchung noch unbekannt waren. Die Tabelle 12 gibt eine Übersicht, welche Bedingungen für eine perfekte Fälschung erfüllt sein müssten. Da der Goldfund in direkter Beziehung zu den Bernsteinfunden steht, müssen alle Merkmale gleichzeitig betrachtet werden. Eine Fälschung aller Merkmale, die natürlich entstanden sind, würde einen Fälscher vor besondere Herausforderungen stellen. Die Stücke weisen weder Merkmale auf, die von Objekten der derzeit in Betrieb beindlichen Last but not least, there is the question of whether all the features summarized in the second thematic bloc may be the result of perfect forgery committed in this day and age. That question is partly hypothetical, as many features were still unknown prior to the research done in the context of the present study. Table 12 gives an overview of conditions that need to be fulilled for perfect forgery. As the gold ind is directly associated with the amber inds, it is necessary to consider all features simultaneously. To forge all features that are of natural origin would be a particular challenge for any forger. The objects have neither features known from objects made in currently active forgers’ workshops, nor features that can be attributed to 19th and 20th century workshops of that type. We would thus have to assume that we are dealing with a unique production – 149 Tab. 12. Specific features of the gold and amber finds that cannot be forged, or only with methods yet unknown. The features marked * are considered to be not forgeable. Fälscherwerkstätten bekannt sind, noch solche, die den Werkstätten des 19. oder 20. Jahrhunderts zuzuordnen sind. Man müsste davon ausgehen, dass es sich um eine einmalige Produktion, sozusagen ein „Erstlingswerk“ handelt. Bei diesem wäre eine extrem hohe Anzahl an Merkmalen perfekt beachtet worden, was insbesondere bei der Imitation natürlich entstandener Spuren, wie z. B. Gebrauchspuren oder Oberlächenveränderungen, aufwändige und zeitintensive Versuche erfordert. Deshalb würde bei einer Gesamtbeurteilung der Zeitfaktor eine große Rolle spielen. Im Gegensatz zur Entstehung von Fälschungen, die z. B. über den Kunsthandel bekannt werden, liegen im aktuellen Fall umfangreiche archäologische, kulturgeschichtliche und zeitgeschichtliche Informationen vor, die eine Beurteilung des gesamten Umfeldes erlauben. Der maximale Herstellungszeitraum für die Erstellung einer zur Befestigung passenden bronzezeitlichen Fälschung für einen Außenstehenden wäre der Zeitraum vom 25. 06.1998 (Erscheinungsdatum Festschrift Georg Kossack mit der Erstveröffentlichung zur bronzezeitlichen Befestigung von Bernstorf) bis zum Aufinden der ersten Goldbleche am 07.08.1998, also ca. sechs Wochen inklusive der Bestellung der Monographie. In dieser Zeit hätten der hier dargestellte archäologische Sachverhalt mit stilistischem Entwurf, die technische Ausführung unter Berücksichtigung aller in der Tabelle genannten Faktoren und die Planung der zwei Jahre später gefundenen Objekte „Goldsiegel mit Goldlahnfragmenten und Bernsteingesicht“ ausgeführt worden sein müssen. Für einen archäologischen Laien wäre dies zeitlich unmöglich realisierbar, gleiches gilt für einen Wissenschaftler mit archäologischen, bodenkundlichen, materialkundlichen und mykenologischen Fachkenntnissen. Eine Fälschung durch Außenstehende ist nicht nur deshalb, sondern schon allein durch das Zeitfenster auszuschließen. Mehr Zeit hätten die unmittelbar am Prozess der Ausgrabung und ihrer Auswertung Beteiligten gehabt. Der Kreis ist eingrenzbar auf die Mitglieder des Archäologischen Vereins Freising und die jeweils beteiligten Wissenschaftler der Archäologischen Staatssammlung München und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalplege. Der Zeitraum für die Anfertigung eines Fälschungsensembles wäre hier auf die Zeit nach dem Herbst 1996 erweiterbar, in dem sich die bronzezeitliche Zeitstellung der Befestigung zunehmend verdichten ließ. Die Wissenschaftler der Ämter sind auszuschließen, da ihnen jedwedes Motiv zur Anfertigung fehlt. Dem Vereinsvorsitzenden Neumaier, der noch 1997 die Fundstelle als Ansammlung von 150 a “debut work”, so to speak. The forger(s) would have paid attention to a very large number of features, which requires elaborate and timeconsuming experiments, particularly with regard to traces of natural processes such as traces of use or changes of the surface. Hence, the time factor would play an important role in the context of an overall assessment of the issue. In contrast to the origin of forgeries that become public, for example, in the art trade, there is ample archaeological, culturalhistorical, and contemporary information available in the case under discussion, allowing for an assessment of the situation as a whole. The maximum time frame available to an outsider for making forged Bronze-Age objects that look coeval with the fortiication would have been the time between 25 June 1998 (the date of publication of the “Festschrift” for Georg Kossack, which included the irst published account on the Bernstorf Bronze-Age fortiication) and 7 August 1998, the day when the irst gold sheets were discovered. That is, the forger(s) would have had 6 weeks at their hands, including the time needed to order the monograph and to have it delivered. Within those 6 weeks, they would have to create the archaeological record presented here, including the stylistic design, the technical realization with due regard to all factors mentioned in the list, and planning the “gold seal with fragments of gold-wrapped thread and amber face” object discovered two years later. This would have been impossible to accomplish for any lay archaeologist; and the same is true for any scholar versed in archaeology, pedology, material science, and Mycenaean studies. Forgery by outsiders cannot only be ruled out due to that fact, but also – and mainly – due to the time frame. More time would have been available to those who were immediately involved in the excavation and its evaluation. That circle can be limited to the members of the “Archäologischer Verein Freising” and the scholars from the “Archäologische Staatssammlung München” and the “Bayerisches Landesamt für Denkmalplege” who were involved in the project. In this scenario, the time frame would extend back to the time after fall 1996; it was then that evidence hardened as to the BronzeAge dating of the fortiication. It can be ruled out that the scholars of the “Archäologische Staatssammlung” and the Landesamt” were the forgers, as they did not have any motive. The chair of the “Archäologischer Verein”, Mr. Neumaier, who called the site “a cluster of charcoal kilns” as late as in 1997, lacked both a motive and the specialist knowledge Kohlenmeilern betrachtete, fehlten ein Motiv und die erforderlichen Sachkenntnisse. Somit verbleiben als einzige, die für eine Anfertigung einer nahezu perfekten Fälschung in Frage kommen, die beiden Finder. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass beiden ebenfalls die Sachkenntnisse fehlen. Als denkbares Motiv wäre eine „Rettung der Fundstelle“ zu sehen. Die Bedrohungslage trat nach einem neuen Abbaubescheid vom 15.12.1997 ein. Der begleitende Streit kulminierte im Zeitraum von April bis Juli 1998, währenddessen sich aber noch keine Klarheit über die tatsächliche Realisierung der Kiesgrubenerweiterung abzeichnete. Der enge Zeitrahmen der Ereignisse zeigt, dass auch den Findern für die Anfertigung einer perfekten Fälschung nur ein sehr kleines Zeitfenster von wenigen Wochen zur Verfügung gestanden hätte. Völlig unerklärlich erscheint dabei, dass trotz Beachtung aller unter Tabelle 12 genannten Details als Ausgangsmaterial ein modernes Gold hätte verwendet werden sollen, ist doch antikes Gold im Handel leicht erhältlich. needed to make forged objects. Hence, the only “suspects” left with regard to the creation of the almost perfect forgeries are the two persons who discovered the objects. First of all, it has to be noted that they, too, lacked the necessary specialist knowledge. One possible motive for making the forgeries would have been the wish to “save the site”, because another mining permission (“Abbaubescheid”) had been issued on 15 December 1997, posing a threat to the fortiication site. The dispute resulting from that notiication culminated from April until July 1998. However, no clarity was gained during that time as to an actual realization of the extension of the gravel pit. From the narrow time window of the events it becomes apparent that the inders, too, would have had little time, a few weeks, to create perfectly forged objects. There is one question that deies any explanation: Whoever allegedly forged the objects paid close attention to all details listed in Table 12 but used modern gold. Why? After all, ancient gold is easily available commercially. Fazit Conclusion Fasst man alle in dieser Arbeit diskutierten Aspekte zusammen, so kann kein einziges stichhaltiges Argument für das Vorliegen einer Fälschung namhaft gemacht werden. Die vermeintlichen Widersprüche zur verwendeten Goldlegierung und zu 14C-Daten von Umgebungsmaterialien lassen sich aulösen. Bei einigen Aspekten, wie z. B. der Sedimenteinbettung, bleiben die Erklärungen für deren Zustandekommen noch hypothetisch. Es konnten allerdings zahlreiche, zum Teil bereits bekannte Faktoren angeführt werden, die die Authentizität der diskutierten Objekte belegen. Die Gold- und Bernsteinfunde von Bernstorf sind damit herausragende, aber nicht außergewöhnliche Zeugen der raumgreifenden mitteleuropäischen Kulturentwicklung im 14. Jahrhundert v. Chr. mit ihren vielfältigen Bezügen und Beziehungen zwischen der Nordischen Bronzezeit Südskandinaviens, Mitteleuropa und dem östlichen Mittelmeerraum, bei denen Süddeutschland offensichtlich eine besondere Rolle in der Vermittlung und im Transfer von Gedankengut und von unterschiedlichen Objekten und Gütern zukam. If we summarize all aspects discussed in the present volume, not a single sound argument can be identiied supporting the assumption that we are dealing with forgery. It is possible to solve the supposed contradictions, both with regard to the gold alloy used and to 14C dates of materials from the site of discovery. With regard to the occurrence of some aspects, such as the sediments in which the objects were embedded, the explanations are still hypothetical. However, it was possible to adduce numerous factors, some of which were already known, as evidence of the authenticity of the objects under discussion. Hence, the gold and amber inds from Bernstorf are prominent – though not unusual – witnesses of the largescale cultural development in Middle Europe in the 14th century BC, which was characterized by many connections and interrelations between the Scandinavian Nordic Bronze Age, Middle Europe, and the eastern Mediterranean. In that context, southern Germany obviously played a special role, being a hub in the transfer of ideas as well as of various objects and goods. Translation: Sabine Lang, Berlin 151